Mitleid mit dem alten Kuchen

© Olivier GR / flickr.com

Neulich beim Bäcker. Kurz vor Ladenschluss werde ich Zeuge einer Szene, die mir zum einen wieder mal bestätigt, dass wir wirklich in einer Wegwerf-Gesellschaft leben, die mich zum anderen aber auch als Kunde etwas verwirrt zurückgelassen hat.

Blecheweise schaufelte die Verkäuferin alles vom Tag übriggebliebene in bereitstehende Kisten. Die eben noch hübsch dekorierten und zum Verkauf angepriesenen Waren fanden sich jetzt als klebriger Haufen im Abfalleimer wieder.

Ich will gar nicht blauäugig wirken. Mir ist klar, dass die leckeren Kuchen, Torten und Gebäckstücke abends vom Bäcker entsorgt werden (müssen) – schließlich will ich morgen auch frische Ware für mein Geld bekommen. Aber erstens gibt es viele soziale Einrichtungen, die mit dem „Abfall“ noch viel Gutes tun können. Und selbst wenn der tägliche Kuchenberg auch für solche Einrichtungen zuviel ist meine ich zweitens, dass man das Gebäck niemals vor den Augen des Kunden entsorgen sollte. Da wird in Bäcker-Ketten oft mit großem Aufwand versucht, die Bäckerei in einen Wohlfühlort zu verwandeln und die Qualität und die Liebe zum Produkt herauszustellen – und dann muss ich mit ansehen, wie das, was eben noch als 1a Ware an mich verkauft wurde, jetzt lieblos in große Kisten gemanscht wird. Was in dem Moment an Kundenvertrauen durch negative, unterschwelliger Kundenkommunikation verloren geht, kann wohl kein Hochglanzplakat mit lächelnden Bäckereiverkäuferinnen in nächster Zeit wieder wett machen.

Wie ist eure Meinung – übertreibe ich da? Oder hättet ihr ähnlich empfunden?

5 Gedanken zu „Mitleid mit dem alten Kuchen“

  1. Naja, die Kunden sind ja immer sehr wichtig, sonst geht den Business einfach zum Teufel…Danke für die nützliche und interessante Infos hier. Toller Blog!

  2. Warum werden Sie nicht aktiv und setzen sich mit dem Unternehmer persönlich in Verbindung, erörtern diese Ihre Beobachtungen und organisieren miteinander die Abgabe an die städtische „Tafel“.

    1. damit wären den bedürftigen Mitmenschen geholfen,

    2. der Bäcker poliert sein Image auf, und

    3. Sie sind Kunde bis an Ihr Lebensende, da Sie sich mit dem Laden und dessen Aktion identifizieren! : )

    Laden Sie die örtliche Presse ein, lassen Sie sich von einem jungen, noch bissigen Fotografen und/ oder Reporter die Story gut verpacken.

    Somit arbeiten Sie nach dem guten, alten Motto: „Tue Gutes und verbreite es!“

  3. Hallo Petra,

    danke für Ihren Kommentar. Und naürlich haben Sie damit (immer) recht, dass es besser ist, hilfsbereit zu sein, als sich nur über fehlende Hilfsbereitschaft zu ärgern.

    Das war aber gar nicht Intention für diesen Artikel – kunndenkunde.de ist ja kein Blog über Mitmenschlichkeit sondern über Kundenservice. Und aus dieser Sichtweise muss ich vor allem nochmal auf Punkt 3 Ihrer Argumentation eingehen: Sollte genau diese Kundenloyalität nicht ursprünglich vom Dienstleister ausgehen und weniger vom Kunden selbst? Es läuft doch was falsch, wenn ich als Kunde Gründe dafür schaffen muss, meinem Bäcker treu zu bleiben.

    Mal davon abgesehen, dass eine solche Aktion in einer Stadt wie Berlin vermutlich nicht mal den jüngsten und bissigsten Reporter hinter dem Ofen vorlockt, gebe ich Ihnen wie gesagt recht, dass der Mitmenschlichkeit mit so einer Aktion am meisten geholfen wäre. Wenn man allerdings nicht mehr kritisieren darf, ohne gleich alles besser machen zu müssen, wird es bald gar keine (immer mal wieder ja auch konstruktive) Kritik geben.

  4. Das fiese an der Sache ist ja, dass du das ja vorher wusstest, dass der gute Bäcker von nebenan seine nicht verkauften Brötchen irgendwann wegwirft. Dieses unschöne Gefühl jedoch kommt erst zum tragen, wenn man es sieht! Der Bäckersmann könnte das auch nach Ladenschluss machen, wenns keiner mehr sieht.

    Ich kenne einen Bäcker, welcher versucht hat, so wenig wie möglich wegzuschmeissen, indem er abends eine Stunde lang alles zum halben Preis angeboten hatte. Das Ende der Geschichte war dann, dass alle Anwohner NUR noch abends zum Einkaufen in die Bäckerei kamen. Ergo hat er sich doch wieder umentschieden und die Aktion rückgängig gemacht :-)

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