Neulich beim Discounter. Wie so oft fehlte mir nicht nur die runde Zugangsberechtigung zum Einkaufswagen sondern auch die Lust, an der Kasse vorzudrängeln und den vermeintlichen Möchtegern zu spielen („Können Sie mir den 50er für den Wagen klein machen?“). Egal – für den kleinen Einkauf tut es auch ein ausgedienter Karton aus dem erstbesten Regal. Da konnte ich ja noch nicht ahnen, was mich an der Kasse erwarten sollte.
Dort erdreistete ich mich nämlich, den kleinen Karton mit ungefähr zehn Artikeln quasi im Ganzen auf das Laufband zu stellen. Ich war zu diesem Zeitpunkt der einzige Kunde an der Kasse. „Die Artikel müssen alle EINZELN auf das Laufband gelegt werden!!“ blaffte mich die Kassiererin hörbar genervt an. „Warum?“ war meine mehr von echtem Interesse, denn von der Lust auf eine Auseinandersetzung geprägte intuitive Antwort. Es folgte eine kurze philosophische Diskussion über Prinzipien und darüber, was passierte, würde jeder so verfahren wie ich. Schließlich siegte doch der Unternehmergeist der Kassen-Dame und mürrisch nahm sie die Artikel aus dem Karton, um sie wie gewohnt einzeln über den Scanner zu ziehen.
Ich kann gut verstehen, dass der Job an der Kasse eines Discounters sowohl körperlich als auch psychisch anstrengend ist. Den ganzen Tag dieselben Körperbewegungen, gehetzte Kunden, denen es nie schnell genug gehen kann. Dennoch – der Kunde ist kein Blitzableiter! Auch nicht für verletzte Prinzipien der Sorte „Für Ware im Karton gibt es keinen Bon!“. Sicherlich eine im Alltag grundsätzlich sinnvolle Regel. Dennoch:
- Dass Kartons als Einkaufskorb benutzt werden, dürfte eher die Ausnahme sein, da fast jeder Kunde den Einkaufswagen nutzt (der nur selten im Ganzen auf dem Laufband landen dürfte).
- Wenn es doch vorkommt, kann eine höfliche Aufforderung wie „Können Sie mir vielleicht etwas zur Hand gehen und die Waren schon auf das Laufband legen?“ den Kunden freundlich in den Kassenprozess mit einbeziehen.
- Es gibt Situationen (und meine zähle ich dazu), in denen Prinzipienreiterei unweigerlich zum Abwurf führen muss – entweder, weil der Kunde sich nach einer unnötigen Diskussion durchsetzt oder weil er der (unfreundlichen) Aufforderung folgt und innerlich genervt den Laden verlässt – Kundenbindung hat so zumindest nicht stattgefunden. Die Dame an der Kasse hätte sich keinen Zacken aus der Krone gebrochen, wenn sie trotz ihrer in vielen Situationen richtigen Prinzipien über ihren Schatten gesprungen wäre und den Karton kommentarlos selbst ausgepackt hätte.
Der Kunde ist nicht per se böse und will mit allen Mitteln versuchen, dem Personal die Arbeit zu erschweren. Gleichzeitig sind Regeln grundsätzlich sinnvoll. Einem Dienstleister müssen aber immer die Kunden wichtiger sein, als die Regeln. Auch, wenn er sich dabei selbst in den Hintergrund stellen muss.
Hallo,
ja, es ist schon erstaunlich mit welcher Unfreundlichkeit der deutsche Alltag versucht uns auf das level von Frau Merkels Mundwinkel herunter zu ziehen. Da kann ich wirklich nur jedem raten beharrlich sich nicht die Laune verderben zu lassen und einfach „drüber“ zu stehen.
Zu Deiner 2. Empfehlung: NEIN und niemals! Der oder die Kassierer/in werden für Ihre Arbeit bezahlt. Ich sehe es nicht ein, weshalb ich unentgeltlich deren Arbeit machen soll. Ferner finde ich es eine Frechheit, dass man sich als Kunde beim Beladen des Förderbandes der Kasse ständig bücken muss, um die Waren aus den viel zu tief konstruierten Einkaufswagen hoch zu hiefen. Dafür überlasse ich es dann aber auch wieder dem Personal die Waren in den Einkaufswagen zu legen, wenn der Kassentisch eh keine andere Möglichkeit bietet; dann muss der/die Kasierer/in es machen oder niemand tut es. An der Kasse hinter mir stehenden Menschen mag dieses Vorgehen missfallen, wenn sie dadurch 30 Sekunden ihres Lebens einbüßen müssen, allerdings geht es hier wie Du auch schön beschrieben hast um Prinzipien.
„Ich lass mich doch als Kunde, der seine Freizeit für’s Einkaufen opfert auch noch wie ein Sklave in die Arbeit anderer einspannen!“
Ich habe auch eine so ähnliche Situation erlebt. Ich wollte nur 2 Kleinigkeiten beim Discounter „Lidl“ kaufen. Während meines „Einkaufsprozesses“ stellte ich jedoch fest, dass ich noch mehr benötige. Also schnappte ich mir kurzerhand einen leeren Karton und sorgte somit für mehr Umsatz(für Lidl).
Ich war so nett und habe die Waren alle EINZELN auf das Band gelegt. Trotzdem konnte die Mitarbeiterin an der Kasse sich eine Bemerkung nicht verkneifen und sagte zu mir: „Beim nächsten Mal nehmen WIR uns aber einen Wagen!“. Auch ich stellte die freche Frage: „Warum“? Geantwortet wurde mir nonverbal mit einem „Augenrollen“.
Ich finde auch, dass ein freundlicher Hinweis mit Erklärung bei Kunden viel besser ankommt. Kommunikation heißt ja „Miteinander Reden“. Freundlich und wertschätzend.
Herzliche Grüße
Sabine Wierts
Vorneweg: schönes Blog, gerade eben erst durch das FAZ-Supermarktblog entdeckt!
Ich habe selbst mal ein paar Jahre als Aushilfe bei toom und Plus an der Kasse gejobbt und kenne daher den Alltag aus beiderlei Sicht. Und natürlich war das Verhalten der Kassiererin in diesem Fall unfreundlich. Das des Kunden (also Deines) aber auch.
Der Job an der Kasse ist wirklich stressig und anstrengend, es ist ein Knochenjob. Einkäufe aus Kartons heraus holen zu müssen, ist – insbesondere auch aufgrund der Arbeitsplatzergonomie – nochmal besonders belastend für die Handgelenke, die man nach Feierabend ohnehin schon spürt. Das Hauptproblem ist aber: wenn man das einmal kommentarlos macht, halten es die Kunden für völlig selbstverständlich und stellen beim nächsten Einkauf wieder den voll gepackten Karton aufs Band. Und nein, so selten kommt das gar nicht vor.
Die Prinzipienreiterei ist in diesem Falle reiner Selbstschutz, und ich hätte mich anstelle der Kassiererin genau so verhalten. Bis auf den Tonfall vielleicht.
Hallo Oliver,
vorneweg: danke! Ich geb das ganz ehrlich und sehr gern zurück – bist mit deinem ESC-Blog grad in meinem RSS-Reader gelandet. Super!!
Zur Sache: Ich kann mir gut vorstellen (auch wenn ich bisher nie an der Kasse gearbeitet hab), dass der Job anstrengend ist. Und vermutlich auch nicht grad gut bezahlt wird. Ich will hier auch nicht die Kassierer und Kassiererinnen zu „Freiwild“ erklären, mit denen man umgehen kann, wie man (als König Kunde) grad Lust hat. Ganz im Gegenteil! Ich versuche grundsätzlich jedem Mitarbeiter mit Respekt zu begegnen. Nur das wünsche ich mir auch von den Mitarbeitern mir gegenüber. Und das fehlt häufig leider. Auch in diesem Fall – ein freundlicher Hinweis und eine kurze Erklärung hätte gereicht und ich hätte die Situation insgesamt völlig anders bewertet.
Klar – jeden Tag den Kunden neu freundlich zu behandeln und sich zu verhalten, als wäre es der erste (und einzige) Kunde ist sauschwer (und sollte eigentlich auch sehr viel mehr be- und entlohnt werden – siehe dazu letzter Absatz). Aber der Ausgangspunkt muss da immer der Mitarbeiter sein. ER repräsentiert das Geschäft. ER ist nunmal der erste an der Kundenfront. Und ER hat dafür zu sorgen, dass sich Kunden wohl fühlen. Da hilft es nicht, irgendwann aufzugeben, sich womöglich noch mit den Kollegen in jeder Pause über die „blöden, uneinsichtigen, ahnungslosen“ Kunden aufzuregen und von Tag zu Tag mehr Hass auf denjenigen zu bekommen, der eigentlich dafür sorgt, dass der eigene Arbeitsplatz überhaupt existiert. Bei solchen Mitarbeitern habe ich immer den Eindruck, der Kunde stört beim Arbeiten – und das darf er dann auch ruhig wissen. Warum arbeiten solche Menschen an der Kasse?? Wo ist da die Motivation, seinen eigenen Job gut zu machen?
Sicherlich ist das auch zu einem großen Teil den Arbeitgebern anzulasten. Sie sind dafür verantwortlich, die Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Mitarbeiter sich wohl fühlen, gern arbeiten und sich freuen, ihren Job machen zu dürfen (dazu gehört nicht, dem Kunden den Karton auszupacken – aber ihn freundlich und wertschätzend darauf hinzuweisen und im Zweifel eben doch mal selbst anzupacken). Wer als Arbeitgeber denkt, Kassieren und Regale einräumen kann jeder und seine Mitarbeiter entsprechend schlecht auswählt und ausbildet, ist seiner Verantwortung sicher nicht gerecht geworden. So müssen beide Seiten dazu lernen – und als dritte sicher auch der Kunde, denn da draussen gibt es vermutlich viel zu viele von denen, die „einfache Angestellte“ gern mal als Fußabtreter ihrer Seele benutzen…