Kundenservice via Social Media – Umfrage zeigt Ängste, Motivationen und fehlende Zukunftsperspektiven

Kundenmanagement_Social_Media
© Julian Jäger

Vor einem halben Jahr hatte ich dazu aufgerufen, Julian Jäger bei seiner Diplomarbeit zu helfen und an seiner Umfrage zum Thema „Kundenmanagement in Social Media“ teilzunehmen. Inzwischen liegen die Ergebnisse vor und können hier exklusiv als PDF heruntergeladen werden (siehe Link am Ende des Artikels) – vielen Dank an Julian für die Bereitstellung seiner Daten! Sie ermöglichen neben dem sehr interessanten Einblick in den Status Quo der Unternehmensbemühungen um eine Ausdehnung des Kundenservices in die Sozialen Medien auch einen Blick auf die zukünftig geplanten Social-Media-Maßnahmen der Firmen – mit ernüchternden Ergebnissen.

Insgesamt 922 Teilnehmer haben sich an der Umfrage beteiligt, 78% von ihnen sind Mitarbeiter, 18% Führungskräfte (z.B. Abteilungsleiter) und immerhin 4% sind in der Geschäftsführung tätig.

38% nutzen Social Media gar nicht, 39% nur sehr wenig

Ein erstes Ergebnis ist, dass mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen Social Media im Kundenservice bisher gar nicht nutzt, fast 40% geben an, Soziale Medien nur wenig intensiv zu nutzen. Das sind zusammen beinahe 80% der Befragten! Über die Gründe lässt sich leider nur spekulieren und hätte es den Zusatz „Kundenservice“ nicht gegeben, wäre die Zahl der nutzenden Unternehmen sicher höher gewesen (weil sie Social Media z.B. in Newsrooms einsetzen, aber nicht im Kundenservice) (EDIT: Grad eben beim Netzökonom gesehen: 70% der Unternehmen nutzen Social Media). Liegt es an der technischen Umsetzung oder an der schwierigen Integration von Social Media in bestehende CRMs?


Nutzung von Social Media im Kundenservice

Negative Bewertung erhalten – 25% kontaktieren den Urheber nicht

Bei der Frage nach der Erfahrung mit negativen Bewertungen des Unternehmens via Social Media gaben 60% an, solche Erfahrungen bisher nicht gemacht zu haben. Julian Jäger stellt daher zurecht die Frage, ob das vor allem am fehlenden Engagement im Web 2.0 und damit am fehlenden Monitoring liegen könnte? Nichts sehen, nichts hören, glücklich sein.

Immerhin 40% kennen dieses Phänomen, von denen erstaunlicherweise aber jeder vierte nicht darauf reagiert. Hier wird sicherlich eine Menge an Überraschungspotential den Kunden gegenüber verschenkt, eine gezielte Bemühung um Konfliktlösung kann den Urheber schnell vom Feind zum Freund machen.


Erfahrungen mit negativen Bewertungen

Wirtschaftliche Gründe bei Nutzung von Social Media im Vordergrund

Nach der Motivation für die Nutzung von Social Media gefragt, antworten 62%, dass die Bekanntheit des Unternehmens erhöht werden soll; die Gewinnung neuer Kunden steht für 56% im Vordergrund. Erst an dritter Stelle wird die Erhöhung der Transparenz für die Kunden genannt (41%), dicht gefolgt von der Verbesserung der Serviceleistung (38%). Das Monitoring von Kundenmeinungen (29%), die Erhöhung der Kundenloyalität (26%) und das Erkennen von Bedürfnissen sowie die Nutzung der Innovationskraft des Webs (25%) spielen nur eine untergeordnete Rolle.


Gründe für den Social-Media-Einsatz

Dieses Ergebnis überrascht natürlich nicht, denn jedes Unternehmen muss letztendlich Geld verdienen und somit muss sich das Engagement im Web 2.0 auch finanziell lohnen. Nur denke ich, dass ein Ansatz, der von Beginn an darauf ausgerichtet ist, mit Sozialen Medien neue Kunden zu gewinnen und die Unternehmensbekanntheit zu steigern, mittelfristig wenig Erfolg haben wird. Denn der Erfolg, der (zumindest bisher) via Social Media generierbar ist, ist nicht immer in nackten Zahlen darstellbar. Vor allem die Punkte, die die Befragten erst auf den hintersten Plätzen genannt haben, sind die aktuell besten Chancen, von einem Social-Media-Engagement zu profitieren. Es geht um einen neuen Beziehungsaufbau zu Kunden, ein neues Zuhören, das Erkennen von Bedürfnissen und die faszinierende Möglichkeit, gemeinsam mit den Kunden innovativ am Produkt zu arbeiten. Hier müssen andere Möglichkeiten gefunden werden, um den Erfolg zu messen. Social Media taugen (noch) nicht zum Vertriebskanal!

79% sehen zukünftig große Bedeutung – 78% machen aber bisher nichts

Zusammenfassend stellt Julian Jäger fest, dass über 79% der Befragten Social Media zwar für den Kundenservice der Zukunft für wichtig bzw. sehr wichtig halten. Aber für 39% ist das Social-Media-Engagement bisher nicht über eine Absichtserklärung hinausgekommen, weitere 39% planen sogar gar nicht erst mit einer Integration von Sozialen Medien in den Kundenservice. Dazu schreibt Julian:

„Viele dieser Unternehmen weigern sich bisher noch, den Kundenservice auf den Social-Media-Kanal zu erweitern, da die Angst im Web zu scheitern noch zu groß scheint und der ROI nicht zuverlässig ermittelt werden kann. Die Unternehmen argumentieren meist damit, dass durch den Einsatz im Web, und der damit verbundenen höheren Aufmerksamkeit der Konsumenten, die Beschwerden zunehmen und der Reputation schaden. Allerdings ist dies ein völlig falscher Ansatzpunkt, da die Inhalte der Kundenreaktionen für das weitere Handeln im Unternehmen bezogen auf Prozesse und Kundenorientierung ohne die Aktivität nicht genutzt werden können. Infolge dessen lässt sich vermuten, dass auch Kundenbeschwerden nicht beachtet werden und eher lästig sind.“

Ich kann Julian hier nur beipflichten. Die Angst vor Nörglern und negativen Kommentaren hört man ständig von Unternehmen. Darauf hat Julian schon sehr richtig reagiert, indem er daran erinnert, dass ein Unternehmen erst durch solche Beschwerden sein Produkt wirklich verbessern kann, also kundenorientierter wird. Und ich möchte ergänzen: Wer Kundenservice via Social Media richtig macht, wer auch auf negative Kommentare konstruktiv und gewinnbringend reagiert, der profitiert davon sehr viel mehr, als er es bisher getan hat. Denn ihm gucken dabei viele andere Kunden zu, die man quasi ohne weiteren Aufwand ebenso berät, überrascht und begeistert, wie man es mit dem eigentlichen Fragesteller getan hat. Wann war das am Telefon jemals so? Die Öffentlichkeit, die im Web 2.0 zwangsläufig entsteht, muss einem also gar nicht soviel Angst machen, sondern ist vielmehr eine große Chance, gelungenen Kundenservice publik zu machen. Wer mit seinen Kunden bisher gut umgegangen ist, der wird das auch im Social Web schaffen und dabei sehr viel mehr Applaus bekommen, als bisher.

Das PDF mit den detaillierten Umfrageergebnissen gibt es hier.

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4 Gedanken zu „Kundenservice via Social Media – Umfrage zeigt Ängste, Motivationen und fehlende Zukunftsperspektiven“

  1. Vielen Dank für die Bereitstellung der sehr interessanten Daten. Ich werde sie mir in einer ruhigen Minute mal durchlesen, aber was ich bereits gesehen habe, ist nicht ohne!

  2. Zitat: „79% sehen zukünftig große Bedeutung – 78% machen aber bisher nichts“

    Was dann zu vergleichen wäre, wenn man weiß, was die Stunde geschlagen hat und dann die Uhr weg wirft. ;-)

  3. Das ist wirklich interessant. Ich habe ein Unternehmen und werde mir das gleich mal genauer angucken. Danke für die Daten!

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