10 Methoden, wie Sie Ihren Kunden neue Technologien madig machen


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Es folgt ein Gastbeitrag von Wolfgang Messer. Sein Blog auf Fastvoice.net lese ich seit einigen Monaten sehr gern und regelmäßig. Das liegt zum einen am zentralen Thema „LED-Beleuchtung“, das ich auf der Suche nach annehmbaren Alternativen zu den nicht immer zufriedenstellenden Energiesparlampen für mich entdeckt habe. Das liegt zum anderen aber auch an seiner sehr kundenzentrierten Herangehensweise an dieses Thema, denn die Hersteller werfen in diesem noch sehr jungen Markt mit Buzzwords und unklaren Produktbezeichnungen und -versprechungen nur so um sich. Daher freue ich mich sehr über den folgenden Gastartikel, der sich wunderbar auf kundenkunde.de macht. Vielen Dank, Wolfgang!

In meinem Blog befasse ich mich seit über drei Jahren schwerpunktmäßig mit der noch relativ jungen LED-Beleuchtung. In dieser Zeit sind mir einige bemerkenswerte bis absurde Strategien begegnet, die offenbar ein zu enges Liebesverhältnis zwischen den Verbrauchern und der neuen, stromsparenden Technologie verhindern sollen. Zahlreiche (jedoch nicht alle) Hersteller und Händler scheinen sich weltweit darauf geeinigt zu haben, ihren Kunden den Umstieg möglichst schwer zu machen. Deren Methoden sind weder wirklich neu, noch originär für die Licht-Branche, sondern universell bei der Markteinführung fast jeder technologischen Neuheit anwendbar.

1. Machen Sie ihr neues Produkt so exklusiv wie möglich!

Ihre neue Technik hält zehnmal länger als ihre Vorgänger? Dann verlangen Sie dafür mindestens 30mal so viel wie bisher. Schließlich wollen Sie trotz hoher Investitionen und zukünftig stark reduzierter Ersatzgeschäfte Ihre Gewinnmargen halten. Also brauchen Sie stark überhöhte Preise, die sich nur wenige Verbraucher leisten können. Und da Sie als erfolgreicher Manager sowieso Armut (Jahreseinkommen unter 100.000 Euro netto) ankotzt, muss auch nicht jedes Gesindel Ihre wundervollen neuen Produkte haben. Merke: Man soll es sich leisten können, zum exklusiven Zirkel Ihrer Kundschaft zu zählen.

2. Verschweigen Sie alle wichtigen Informationen!

Bräuchten Ihre Kunden bisher kaum bekannte Messwerteinheiten und umfassende neue Daten, um die Leistungsfähigkeit und Einsatzmöglichkeiten Ihrer neuen Technologie einschätzen zu können? Vergessen Sie’s und belasten Sie die ahnungslosen Verbraucher nicht mit verwirrenden Details. Behaupten Sie einfach pauschal, dass Ihr Produkt nur noch 10 Prozent der Energiezufuhr der Vorgängertechnik benötigt, um die gleiche Leistung zu erbringen. Das ist natürlich glatt gelogen, aber bevor Ihre Kunden das merken, haben Sie schon ihr Geld kassiert. Völlig kontraproduktiv ist deshalb auch die Veröffentlichung eventueller echter Messwerte in Werbebeilagen, Katalogen und Online-Shops. Bedenken Sie außerdem: Die Ermittlung solcher Werte in unabhängigen Labors ist sehr teuer. Sparen Sie sich lieber diese unnötigen Ausgaben und erfinden Sie einfach die Zahlen – bei mangelnder Phantasie tun’s auch ein paar Würfel.

3. Bloß keine lange Garantie geben!

Alles, was über die gesetzliche Gewährleistung hinaus geht, ist Teufelswerk. Schlimm genug, dass Sie als Anbieter im ersten halben Jahr die Beweislast für Produktfehler haben. Sorgen Sie also dafür, dass Ihre neue Technik mindestens sechs Monate hält. Danach muss der Kunde nachweisen, dass er am Ausfall keine Schuld trägt – da finden Sie sicher einen Dreh, warum der Depp Ihr Produkt nicht bestimmungsgemäß eingesetzt hat und deshalb keinen Anspruch auf Reparatur oder Ersatz hat. Das Wort „Kulanz“ verbannen Sie umgehend ins Fremdwörterlexikon. Offiziell können Sie natürlich dennoch in der Werbung „acht Jahre Garantie“ schreiben – wenn Sie in Ihren klein gedruckten, zehnseitigen Garantiebedingungen mit komplexen Klauseln jeden denkbaren Anspruch des Kunden ausschließen.

4. Verwenden Sie nur billige Bauteile!

Neue Technologien sind teuer. Warten Sie deshalb ein Weilchen, bis sich andere Unternehmen bei der Verwertung die Finger verbrannt haben und asiatische Hinterhofklitschen bereits billige Plagiate anbieten. Suchen Sie sich dann die dubiosesten Quellen für die Einzelteile Ihres neuen Produkts. Verschwenden Sie keine Zeit und Energie für Konstruktion und Design – klatschen Sie einfach ein paar vorgefertigte Module zusammen und verkaufen das als teure High-Tech-Innovation. Die Materialkosten sollten dabei höchstens 10 Prozent des Endverbraucherpreises ausmachen. Die paar Idioten, die sich anschließend über mangelnde Qualität und Lebensdauer beschweren, kriegen Sie mit der nächsten Methode in den Griff:

5. Erfinden Sie begeisterte Kunden!

Fünf Sterne bei Amazon oder in anderen Verkaufs- und Verbraucherportalen kommen nicht von allein. Lassen Sie deshalb Ihre Praktikanten unter verschiedenen Pseudonymen zahlreiche Top-Bewertungen Ihres Produkts schreiben. Dieses „Astroturfing“ kleistert wundervoll die paar wenigen negativen, echten Kundenbewertungen zu. Investieren Sie außerdem nicht in die Produktentwicklung, sondern lieber in tausende falsche „Follower“ und „Likes“ bei Facebook, Twitter u. ä..

6. Vergessen Sie die „Pressearbeit“!

Behandeln Sie (Fach-)Journalisten höchstens als nützliche Idioten und ignorieren Sie Blogger völlig. Ihre Pressemitteilungen oder Newsletter erscheinen maximal halbjährlich und sind nur nach einer langwierigen Registrierungsprozedur mit Eingabe zahlreicher Passwörter sichtbar. Verwenden Sie in Ihren Mitteilungen möglichst viele „Buzzwords“ und konvertieren Sie begleitende Dokumente und Fotos in ein exotisches Dateiformat, das garantiert niemand öffnen kann. Reagieren Sie niemals auf Anfragen und verschicken Sie keine Testexemplare Ihrer Produkte. Könnte ja jemand feststellen, dass Sie den letzten Mist anbieten, und das dann auch noch veröffentlichen. Überlassen Sie also die „Pressearbeit“ lieber den E-Mail-Spammern aus Hongkong, Shenzhen und Umgebung, die täglich mehrmals hunderttausenden Empfängern ihre „cheap and featured newly designed unbelievable products“ mit astronomischen Leistungsdaten anbieten.

7. Lassen Sie Kritik an sich abprallen!

Leider ist nicht auszuschließen, dass vereinzelte aufmüpfige Journalisten, Blogger und Kunden was an Ihren Schrottprodukten auszusetzen haben. Hier bieten sich zwei Strategien an: Total ignorieren oder heftig dementieren. Letzteres könnte allerdings in unschönen und teuren juristischen Verfahren enden, die am Ende die schwerwiegenden Mängel Ihrer Angebotspalette beweisen. Also reagieren Sie besser nicht auf Kritik und Beschwerden und ziehen weiter Ihren Stiefel durch. Keinesfalls sollten Sie den Irrweg mancher Unternehmen beschreiten, die intensive Kontakte mit Rezensenten und Verbrauchern als wertvolle Hilfen zur langfristigen Verbesserung ihrer Produkte nutzen. Völlig absurd, sowas!

8. Präsentieren Sie Phantom-Produkte!

Fachmessen finden bekanntlich immer dann statt, wenn Sie eigentlich nichts Neues zu zeigen haben. Egal: Zerren Sie Ihren verzweifelten Entwicklern im Labor einen viertelfertigen Prototyp aus den krampfhaft klammernden, kalten Händen. Präsentieren Sie das Ding möglichst glamourös auf Ihrem Messestand, versuchen Sie mit allen Tricks, irgendeine Funktionsfähigkeit vorzugaukeln und versprechen Sie den Messebesuchern unglaubliche Leistungsmerkmale, die Ihren Laborsklaven im Traum nicht eingefallen wären. Kündigen Sie außerdem eine „baldige Markteinführung“ an und wiederholen Sie dieses Versprechen nach der Messe noch ein paar Mal. Da das Gerät aber noch weit von der Serienreife entfernt ist und Ihre billigen chinesischen Zulieferer nicht die geringste Ahnung haben, wie sie Ihre Kosten- und Leistungsvorgaben erfüllen sollen, vergeht danach noch mindestens ein Jahr. Bis dahin erinnert sich sowieso keiner mehr an Ihr „Messe-Phantom“ und Sie können das Projekt auch komplett fallen lassen.

9. Produzieren Sie am Markt vorbei!

Bieten Sie nur Produkte an, für die nur eine Minderheit Verwendung hat. Kaprizieren Sie sich zum Beispiel ausschließlich auf wesentlich zu hohe oder zu niedrige Leistungsstufen. „Mittelklasse“ wäre für Ihr Unternehmensniveau zu gewöhnlich und vermutlich auch zu wenig einträglich. Für „High End“-Modelle können Sie dagegen Mondpreise verlangen und gleichzeitig im untersten Leistungssegment massenhaft billigste Ware überteuert verkaufen – natürlich unter verschiedenen Markennamen. Eine „win-win“-Situation, die in diesem Fall bedeutet: Sie gewinnen doppelt.

10. Versauen Sie der besseren Konkurrenz das Geschäft!

Wenn möglichst viele minderwertige Produkte auf dem Markt sind, wird den Kunden zwangsläufig suggeriert, die gesamte neue Technologie sei schlecht. Dieses Image hängt dann auch denjenigen ihrer Konkurrenten an, die hochwertige Produkte anbieten. Die Folge: Qualität spielt beim Markterfolg fast keine Rolle, weil ja in der Wahrnehmung der Konsumenten nichts mit dieser neuen Technik was taugen kann. Bis dahin haben Sie aber mit Ihrem Ramsch schon den großen Reibach gemacht – Bingo!

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