Warteschlangenmanagement

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Schlange stehen – gibt es sinnloser verbrachte Lebenszeit? Im Vergnügungspark („Ab hier noch zwei Stunden!“), am Ticketschalter (neuerdings mit To-Do-Liste für die Wartenden) und natürlich an der Supermarktkasse. Vordrängler machen sich hier innerhalb von Sekunden mehr Feinde, als der Ameisenbär bei seiner Nahrungsaufnahme. Allerdings weiß man die Vorzüge einer noch so langen, aber dafür geordneten Schlange zu schätzen, wenn diese fast schon natürliche Ordnung von überfordertem Personal ausgehebelt wird.

So geschehen bei Praktiker an der „Ich-möchte-Farbe-anmischen-lassen-Theke“. Ein Tresen in der Form eines Us, ca. 15 Meter Länge und leider ohne eindeutigen Anfang und ohne ein klares Ende. Und trotzdem schaffte es die renovierwütige Masse eine gute, deutsche Anstehschlange zu bilden. Leider ohne Wohlwollen des Praktiker-Farbexperten.

Der Schlangenunmut wuchs

Nachdem zuerst seine Kollegin und dann sein Überblick verloren ging, regte sich erster Unmut unter den Wartenden. Der Kopf der Schlange nutzte seine priveligierte Stellung zuerst für eine Nonsensdiskussion darüber, warum der Farbmann denn bitteschön nichts mit seinem Farbwunsch „Pfirsich“ anfangen könne, worauf dieser ihm in aller Ruhe den Farbfächer erklärte: „Da kommen tausende Farben in Frage!“. Nach diesen gefühlten 15 Minuten Farblehre gab der Kunde sich endlich zufrieden, um im selben Atemzug die Geduld aller Anwesenden auf eine weitere, harte Probe zu stellen: „Kommen wir zu Frage Nummer 2.“. Der Schlangenunmut wuchs. Rufe nach der verschollenen Kollegin wurden lauter. Hätte ich am Ende der Schlange gestanden, ich hätte mich ernsthaft gefragt, ob es nicht alles in allem schneller ginge, wenn ich noch kurz die Schulung für die Farbenmischmaschine mache, um mir meine flüssige Wanddeko selbst anzurühren.

„Ich hol‘ nur schnell was ab!“

Schließlich war aber auch der Pfirsich-Mann zufrieden gestellt und ging, ohne Farbe einzukaufen („Dann lass ick dat lieba vom Maala machn!“) seiner Wege. Wer allerdings dachte, die Warteschlange würde nun sukzessive weiter abgearbeitet (und das dachte jeder in der Warteschlange), musste sich eines besseren belehren lassen: kackdreist hatte sich seitlich am großen U-Tresen ein unauffälliger Zeitgenosse angeschlichen und schlug im exakt richtigen Moment mit dem nicht konterbaren Spruch „Ich wollte nur schnell was abholen!“ zu. Die Schlange drohte zu explodieren. Erste, noch vorsichtige Anspielungen auf die Genfer Konventionen machten die Runde. Aber selbst zu diesem Zeitpunkt hatte der Farbenmann am Praktiker-Tresen noch die Chance, den Abend zu einem guten werden zu lassen.

Um es kurz zu machen: er schaffte es nicht. Nach dem frechen Vordrängler verlor er gänzlich den Überblick, wollte wahllos umherstehende Kunden mit Farbe beglücken, ohne die Warteschlange auch nur wahrzunehmen. Wäre in diesem Augenblick nicht seine Kollegin zurückgekommen, ich glaube, es hätte den ersten Farbanschlag in einem Baumarkt gegeben.

Amerikanisches Wartesystem

Diese etwas ins Lächerliche gezogene Situation hat einen ganz ernsten Hintergrund: Kunden wollen nicht darauf warten, ihr Geld ausgeben zu dürfen. Und wenn sie es doch einmal tun müssen, wollen sie den Eindruck haben, dass der Dienstleister alles dafür tut, die Warterei so kurz wie möglich und so gerecht wie möglich zu gestalten. Das Amerikanische Wartesystem wurde für mehr Gerechtigkeit in der Warteschlange entwickelt. Hier gibt es nur eine Schlange, die die Wartenden auf den jeweils frei werdenden Schalter verteilt. So gibt es nicht mehr das Problem mehrerer Warteschlangen, von denen die eigene meistens (zumindest gefühlt) die langsamste ist (weil ausgerechnet jetzt natürlich die Kassenbonrolle gewechselt werden muss und die 10-Cent-Stücke mal wieder leer sind). Die Deutsche Post und die Deutsche Bahn setzen dieses System beispielsweise in ihren Filialen um.

Dass Warteschlangenmanagement inzwischen zu einer echten Wissenschaft geworden ist, zeigen diese Artikel:

Spiegel Online – Intelligenter Schlange stehen

Spiegel Online – Schlangestehen für Fortgeschrittene

Welt Online – Schlange stehen – aber richtig

Wie siehts bei euch mit der Warteschlangen-Erfahrung aus? Empfindet ihr das auch als ein sehr sensibles Thema (Stichwort Vordrängler)? Habt ihr gute Erfahrungen mit unkonventionellen Wartesystemen gemacht? Was haltet ihr vom Amerikanischen Wartesystem?