Nach meinem Post über die Ähnlickeiten eines aktuellen Artikels der Deutschen Welle zu einer eigenen Artikelserie aus dem vergangenen Jahr gab es eine Reaktion aus der Wirtschaftsredaktion der Deutschen Welle. Die war zunächst noch etwas verwirrend, wurde dann aber überraschend deutlich in ihrer Aussage.
Henrik Böhme, Leiter der Wirtschaftsredaktion DW-RADIO/DW-WORLD.DE, meldete sich in den Kommentaren zu Wort. Er wies zunächst jede Schuld von sich und wollte vor allem vom Vorwurf des Plagiats nichts hören. Gleichzeitig bot er an, kundenkunde.de im Artikel zu nennen und zu verlinken. Auch die Überschrift des Artikels wurde stillschweigend geändert und war jetzt nicht mehr wortgleich mit der Überschrift meiner Artikelserie. Insgesamt klang das für mich wie ein Schuldeingeständnis mit dem Versuch, möglichst schnell Gras über die Sache wachsen zu lassen. Das hab ich dann auch in den Kommentaren Henrik Böhme geantwortet. Die Reaktion, die daraufhin kam, hat mich überrascht – positiv! Und weil ich sie in einem Kontext wie diesem – der (ohne aufbauschend sein zu wollen) zumindest Züge des klassischen Blogger-vs.-etablierte-Medien-Konflikts besitzt – so unerwartet deeskalierend und ehrlich finde, kommt sie hier nochmal in voller Länge:
„Es war eine sehr junge, unerfahrene Kollegin, die ich mit diesem Thema betraut habe (weil ich es einfach aus journalisitischer Sicht spannend finde). Sie hat dann, wie es jungen Menschen eigen ist, einzig im Netz recherchiert und ist unter anderem auf Deinen Blog gestoßen. Der Fehler war ( und das ist ihrer Unerfahrenheit zu schulden, aber auch einer Unachtsamkeit der Redaktion) diese Quelle nicht zu erwähnen, so wie sie es ja mit der anderen Quelle getan hat. Das gehört zum journalistischen Handwerk und wir achten darauf sehr. Und was ich persönlich aus der Geschicht mitnehme (als einer der nicht mehr ganz jungen Generation und nicht mit Blogs groß geworden): Achtet mir die Blogger.“ (Henrik Böhme)
Jetzt kann man das Haar in der Suppe suchen und darüber diskutieren, ob es unfair ist, allgemein von rechercheunerfahrenen „jungen Menschen“ auszugehen und ob der letzte Satz reine Anbiederung ist. Ich meine aber, eine derartige Reaktion muss man im Netz sicher lange suchen. Hier wird von „Unerfahrenheit“ gesprochen, von einer „Unachtsamkeit der Redaktion“ und es fällt tatsächlich die Vokabel „Fehler“. Das allein reicht mir, um Henrik Böhme für den „Preis zur Aussöhnung von Bloggern und Journalisten“ vorzuschlagen. Ich fühl mich in dieser Sache ernst genommen. Und anscheinend hat auch die Deutsche Welle die Sache ernst genommen. Davor hab ich Respekt.
Und mein nächster Blogpost ist dann bestimmt wieder zum Thema Kundenservice. :)
Dies ist eine erfreuliches Reaktion. Im Bekanntenkreis habe ich leider ein bis zwei negative Beispiele (mit-)erleben dürfen. Dort wurde auf E-Mails zu dem Thema einfach geschwiegen.
Hoffen wir alle, dass sich die hier gezeigte Ansicht durchsetzt.
Er fand es „spannend“? Was ist daran „spannend“, eine Kollegin )oder Kollegen) etwas schreiben zu lassen? Es ist das Gegenteil: alltägliches Tun.
Oder anders: In der Erklärung wird ein modisches Adjektiv eingefügt, ohne jede Bedeutung, Sinn oder Verstand. Und weil der Schreiber das nicht kann: schreiben ohne doofe Floskeln, hat er wohl damals die „junge Kollegin“ beauftragt; und die – clever – wusste, wo man Sinnvolles zum Thema findet und benutzen, vulgo: klauen kann.
Oder?
@Klaus sich jetzt über ein Adjektiv aufzuregen ist ein bisschen korinthenkackerisch, oder?! Finde die Reaktion von Böhme gut und zeitgemäß. Traurig dass sie offenbar noch selten ist. Egal. Das wird. Wichtig: hier agiert ein Mensch, keine Gesamtinstitution als solches. Menschen machen Fehler. Sie einzugestehen hat Grösse
@ Klaus: ich denke auch, dass er das zu behandelnde Thema (Kundenservice via Twitter) „spannend“ fand und nicht die – ich nehme an durchaus übliche – Handelsweise, einen Journalisten darüber schreiben zu lassen.
Finde die Redaktion auch gut, ich hoffe, das macht Schule!
schreiben sie der dw doch eine rechnung. und – schwupps! – waren die beiden posts dann doch zum thema kundenservice.
ich finde, sie haben das sehr gut gemacht. es ist schön, menschen aus den älteren medien beim lernen zusehen zu können. ich habe schon schlimmere reaktionen gesehen.
.~.
Ich kenne Henrik Boehme persoenlich, habe als junge Volo beim ihm viel gelernt. Er gilt als eines der Top-Foerderer junges Nachwuchs bei der DW, ist ein Grund ehrlicher Mensch, und ist alles, aber nicht anbiedernd. Wenn er das so schreibt, meint er es so. Dass er die Autorin den Ruecken bestmoeglichst deckt, gleichzeitig die eindeutigen Fehler zugibt, das ist fuer mich ein Zeichen der Loyalitaet einerseits und der journalistischen Aufrichtigkeit andererseits. Dass er auch die Fehler nicht nur auf der Autorin, sondern auch bei den Redakteuren, die keine Fakt-Checking gemacht haben (wobei ich mir kaum eine Redaktion vorstellen kann, wo nachgeprueft wird, ob eine Kollegin abgeschrieben hat – davon wird ausgegangen), finde ich gut. Und auch, dass Sie ihm darauf nicht nur aufmerksam gemacht haben, sondern auch auf die Finger geklopft … denn es ist in der Tat so, dass die journalistische Ethik oft nur bei den grossen Namen gilt, und dass kann nicht sein!
Also ich finde es ja nicht so ganz in Ordnung, dass er die junge Kollegin vorschiebt. Wenn sie so unerfahren wäre, würde ich sie nicht allein Texte schreiben lassen ohne sie nachher nochmal durchzugehen und nach ihren Quellen zu schauen. Das bedeutet auch eine Imageschaden für die Firma, wenn falsche Aussagen getroffen werden, weil die Quelle unseriös war.
Hallo Dan,
ich finde, das kann man so und so sehen. Ist doch auch schön, dass man jungen Talenten bei der Deutschen Welle einiges zutraut und ihnen vertraut. Natürlich gilt auch hier: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die hat in diesem Fall nicht richtig funktioniert. Fehler passieren. Der Fehler wurde zugegeben. Mehr erwarte ich persönlich nicht.