Kundentäuschung made by EU?

© Verbraucherzentrale Hamburg
© Verbraucherzentrale Hamburg

Im April 2009 hob die EU fast alle verbindlichen Mengenangaben für Lebensmittel auf (nur Wein, Sekt und Spirituosen müssen weiterhin in festgelegten Mengen verkauft werden). Durfte Milch bisher in Packungen bis 1 Liter nur in den Abstufungen 0,5 Liter, 0,75 Liter und 1 Liter abgegeben werden, ist es seit April auch erlaubt, Packungen mit beispielsweise 0,95 Litern zu verkaufen. Und weil den wenigsten Verbrauchern auf Anhieb auffällt, dass das, was seit Jahrzehnten 1 Liter war jetzt evtl. nur noch 0,95 Liter sind, haben es die Hersteller leicht, quasi durch die Hintertür Preiserhöhungen durchzusetzen: der Preis bleibt gleich, die Menge wird verringert. Alles mit Unterstützung der EU.

Endlich Packungsgrößen für Singles

Begründet wird diese Richtlinie u.a. mit der Möglichkeit, jetzt auch endlich spezielle Packungsgrößen für die immer noch steigende Zahl an Single-Haushalten produzieren zu können. Das macht natürlich durchaus Sinn. Trotzdem ist so eine Verordnung auch immer sehr, sehr reizvoll für die Unternehmenskasse. Hier eine Scheibe Käse weglassen, dort die Marmelade um 15 Gramm reduzieren und die Bilanzen gehen ohne viel Aufwand durch die Decke. Für den Kunden sind diese Preiserhöhungen nur schwer zu erkennen.

Kundenvertrauen nachhaltig geschädigt

Wenn er sie allerdings entdeckt, leidet das Kundenvertrauen sehr viel stärker unter dieser Mogelpackung, als unter einer normalen Preiserhöhung. Man fühlt sich zurecht hintergangen. Ich würde mir als Unternehmer diesen Schritt zumindest gut überlegen.

Grundpreise vergleichen

Um auf solche versteckten Preiserhöhungen nicht hereinzufallen, gibt es glücklicherweise… die EU. Die hat nämlich bereits 1998 die GrundpreisRichtlinie herausgegeben. Danach müssen fast alle Lebensmittel neben dem Endpreis auch mit dem Grundpreis, z.B. für 100 Gramm, ausgezeichnet werden. Wer diesen Preis als Vergleich nimmt oder immer einen gewissen Richtwert im Kopf hat, dem fällt die Kundentäuschung durch Mogelpackungen made by EU viel eher auf. Ergänzend sammelt die Verbraucherzentrale Hamburg fleißig Produkte, die durch die Änderung der Packungsgröße teurer geworden sind. Eine Liste dieser Produkte kann man hier abrufen. Unter verdecktepreiserhoehungen.de beschäftigt sich auch ein ganzes Internetprojekt mit diesem Thema.

Mir war bisher gar nicht bewusst, dass Lebensmittel seit Jahrzehnten in festgeschriebenen Packungsgrößen verkauft werden müssen. Wie ist das bei euch? Hat sich euer Lieblingskäse vielleicht sogar seit April durch diese EU-Richtlinie verteuert und ihr habt euch darüber geärgert?

8 Gedanken zu „Kundentäuschung made by EU?“

  1. Hallo Peter,

    mich haben die Grundpreise schon oft vor teureren Käufen bewahrt. Zwar wird das Einkaufen ein wenig aufwendiger durch das Vergleichen, doch das ist es mir wert.

    Was mich ärgert und mir immer öfter auffällt: Größere Packungen kosten teilweise mehr, als kleine. Beispiel: Unser „Hausshampoo“ wird in einer kleinen Packung angeboten. Daneben selbe Marke eine entsprechend gekennzeichnete „Vorteilsgröße“. Erweckt den Eindruck von günstigerem Preis. Bei genauem Hinschauen entpuppt es sich als Ente, weil teurer im Grundpreis…

    Gruß Andrea

  2. Hallo Andrea,

    danke für deinen Kommentar. Der Grundpreis ist auch mein bestes „Einkaufswerkzeug“. Ich hab für verschiedene Produkte immer so einen Maximalbetrag. Alle Produkte, die teurer sind, guck ich mir zumindest erstmal genauer an und entscheide dann, ob sie mir den Mehrpreis wert sind.

    Das Ärgernis mit den Großpackungen kenne ich. Da wird mit Vokabeln („Vorteilspack“ etc.) geschickt hantiert und vor allem auch so eine Art „intuitives Handelswissen“ missbraucht, das einem sagt: je mehr du kaufst, desto günstiger wird der Grundpreis. Ich hatte diese Preisstategie auch in meinem Artikel zu eurer Blogparade aufgegriffen.

    http://www.kundenkunde.de/2009/08/5-preisstrategien-die-kunden-gar-nicht-gefallen/

  3. Ehrlich gesagt verstehe ich die Aufregung um diese Regelung bzw nicht-mehr-Regelung nicht, auf der einen Seite fordern alle die Mündigkeit des Bürgers und wenn diese dann beim Lebensmitteleinkauf etwas gefordert wird ist es auch nicht richtig.

    Wenn die Kunden nicht so naiv wären und konsequent Produkte mit „versteckten Preiserhöhungen“ meiden würden, was wäre dann? Richtig, die Hersteller würden diese Masche nicht mehr versuchen. Solange aber niemand genau darauf achtet was er eigentlich kauft wird sich soetwas auch nicht ändern.

  4. Hallo Enrico,

    einerseits bin ich ganz bei dir – Mündigkeit ohne Verantwortung geht nicht.

    Andererseits seh ich das in diesem Fall etwas anders: die Verringerung der Packungsgrößen, die die VZHH dokumentiert, zielen ja offensichtlich nur darauf ab, weniger Menge für gleiches Geld an Verbraucher zu verkaufen, die Jahrzehnte an fixe Verpackungsgrößen gewöhnt waren. Dieser Vorgang hat einfach nichts mehr mit Verbrauchermündigkeit zu tun – das ist kalkuliertes Ausnutzen von Vebraucherunwissen und jahrelanger Einkaufsgewohnheiten. Mündigkeit ist ja nicht gleichzusetzen mit Allwissenheit.

    Ich glaube übrigens auch, dass das Argument, man könnte die Hersteller unter Druck setzen, indem man solche Produkte mit versteckten Preiserhöhungen meidet, nur in der Theorie zieht. In der Praxis sprechen viele Szenarien dagegen:

    1. Mein Lieblingskäse hat jetzt eine Scheibe weniger in der Packung zum gleichen Preis – da fällt ein Umstieg auf ein anderes Produkt schwer, es gibt eben nur einen Lieblingskäse.

    2. Als Supermarktkunde bin – zumindest ich – nicht im Laden, um die Welt zu verbessern, sondern um meinen Kühlschrank zu füllen. Ich hab beim Einkauf keine Lust darüber nachzudenken, welche Produkte ich besser nicht kaufen sollte, um gegen seinen Hersteller ein Zeichen zu setzen. Und das geht vermutlich den meisten anderen Einkäufern auch so.
    3. Es ist illusorisch zu glauben, dass man die Masse an Verbrauchern irgendwann einmal dahingehend „erzogen“ haben könnte, dass tatsächlich ein spürbarer Druck auf Hersteller ausübbar wäre. Das klappt hin und wieder bei einzelnen Produkten, wird aber niemals zur Regel werden. Dafür ist die Masse an zu aktivierenden und zu gleichen Einkaufsgewohnheiten antrainierenden Menschen einfach zu groß.

    Freu mich auf weitere Diskussion zum Thema!

  5. Das Problem sind tatsächlich „Einkaufsgewohnheiten“. Wer vergleicht, rechnet und Waren in unteren Regalen – ohne Label oder Bekanntheitsgrad – nimmt, ist meistens günstiger bedient.

    Doch Gewohnheit verführt: Das Waschpulver, das Mutti gekauft hat, die Wurstsorte, die Omi immer holte usw.

    Einkaufen mit Einkaufszettel und der Bereitschaft, zu rechnen kostet Zeit und Mühe. Und mindert für viele die „Lust am Kaufen“ – die wir alle so lieben…

    Viele Verbraucher sehen die „paar Cent“, die sie einsparen können als zu gering an, um sich die Mühe zu machen. Und das macht sich der Handel zu nutze.

  6. Hallo Peter,

    in Deinem Kommentar zeigst Du je selbst ganz deutlich das es eben an der von mir geforderten Konsequenz letztlich mangelt. Klar, man beschwert sich darüber aber am Ende ist es eben so und man versucht damit zu leben. Was bei den wenigen Cent die bei einem Einkauf jetzt mehr bezahlt werden sicher auch verschmerzbar ist.

    Ich möchte die Methoden einiger Hersteller auch nicht gut heißen – aber der Weg den Verbraucher zu etwas mehr Aufmerksamkeit beim Einkauf zu zwingen ist definitiv der richtige. Denn es gibt ausreichend andere Bereiche wo die EU nicht helfen kann, der Verbraucher aber trotzdem „lachend in die Kreissäge rennt“. Da werden Produkte gekauft die nur ein Bruchteil des üblichen Marktpreis‘ kosten und am Ende beschwert man sich über mangelnde Qualität oder Funktionalität.

    Man muss eben von dem Gedanken der Staat (bzw die EU) regelt das eigene Leben schon wegkommen und selbst das Gehirn einschalten.

    Verstehe mich nicht falsch, ich kann Deiner Argumentation sehr gut folgen, aber mich regt es einfach auf wenn sich alle auf die EU oder den Deutschen Staat verlassen.

    Viele Grüße

  7. Hallo Peter,

    ich finde die EU hat ja schon vieles vermasselt. Aber hier hat sie echt den Vogel abgeschossen.
    Als Supermarkt-Mitarbeiter finde ich das wirklich zum kotzen. Entschuldigt diese deutliche Ausdrucksweise, aber ich leide doppelt darunter. Zum einen als Kunde wie jeder andere auch und zum anderen als Verkäufer, wenn sich die Kunden darüber bei mir beschweren.

  8. @Andrea: Ja, einkaufen könnte so schön sein, wenn da nicht diese Preise wären… :)

    @Alex: Stimmt, ihr Supermarkt-Mitarbeiter bekommt das als Erste ab – vielleicht solltest du nebenberuflich Marktforscher werden und die Hersteller mit Infos versorgen? :)

    @Enrico: Ich glaube, wir sind insgesamt gar nicht so weit voneinander entfernt (puhh!). Ich gebe dir vollkommen recht, dass dieses ständige Rufen nach dem Staat einfach nicht die Lösung sein kann – das führt nur zu immer mehr Bürokratie und Paragraphen. Trotzdem glaube ich, dass ein moderates staatliches Eingreifen gut ist (z.B. bei Kartellverdacht etc.) und dass man auch Kritik üben darf, wenn dieser Eingriff einer ins Klo war. Und das war in diesem Fall so – ein Eingriff war erstens nicht nötig und zweitens schlecht gemacht. Ich möchte gar nicht wissen, wie lange die Hersteller-Lobby den EU-Kommissaren etwas vorgeheult haben von dringend notwendigen Single-Haushalt-Packungen etc. Letztlich bringt diese Verordnung dem Verbraucher nicht sonderlich viele Vorteile – im Gegenteil, er muss zukünftig noch „mündiger“ bzw. wachsamer sein.

    Meine Kritik war weniger ein Rufen nach der EU, sondern vielmehr Kritik an ihr – in diesem Fall wäre es besser gewesen, die EU hätte gar nicht erst eingegriffen.

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